BAD REICHENHALL/SCHNEIZLREUTH (ml) – Die Organisatoren Guido Fick (Bereitschaftsleiter Bergwacht Freilassing) und Hubert Mayer (Ressortleiter Höhlenrettung Bergwacht-Region Chiemgau) blicken auf ein spannendes Wochenende und eine lehrreiche dreitägige nationale Höhlenrettungsübung im Müllnerberg oberhalb des Saalachsees zurück, die die heimische Bergwacht für den Höhlenrettungsverbund Deutschland (HRVD) aufwendig vorbereitet und ausgetragen hat.
„Wie die aktuellen Medienberichte über den schwierigen Rettungseinsatz aus 1.000 Metern Tiefe in der südtürkischen Morca-Höhle zeigen, ist solch ein komplexes und personalintensives Szenario gar nicht so abstrakt wie man vielleicht meinen möchte und kann jederzeit und überall ohne Vorwarnung wieder passieren“, erklärt Fick, der nach den Rettungen aus dem Untersberg-Riesending (Juni 2014) und der Jack-Daniels-Höhle (August 2014) im Tennengebirge weiß, wie wertvoll ein nationales und internationales Spezialisten-Netzwerk ist, um auch solch zunächst unmöglich anmutenden, aufwendigen Rettungen gemeinsam meistern zu können. Das ist auch der Grund, warum die Retter ihre Beziehungen anhaltend pflegen und überregional zusammen üben. Der HRVD veranstaltet alle zwei Jahre eine nationale Übung, an der alle elf Höhlenrettungsorganisationen aus ganz Deutschland teilnehmen, zusammenkommen und ein komplexes Szenario möglichst effektiv abarbeiten. 2023 war die Höhlenrettung der Bergwacht-Region Chiemgau als Mitglied im HRVD nach dreijähriger Pandemie-Zwangspause damit beauftragt, die Übung zu organisieren und auszutragen.
Fick und Mayer versuchten dabei, alles was passiert so realitätsnah wie nur möglich zu gestalten: Am Freitagmittag (8. September) wird zunächst die örtlich für den Müllnerberg zuständige Bergwacht Bad Reichenhall zu einem „Höhlenunfall unter Tage“ alarmiert. Die Aufgabe des Einsatzleiters besteht zunächst darin, die Lage zu erkunden, zu bewerten und daraufhin eine gezielte Nachalarmierung der Höhlenrettungskräfte zu veranlassen. Bis zum Abend treffen dann zeitlich versetzt insgesamt 79 Höhlenretter aus sieben Bundesländern in Kibling am Saalachsee ein, wo die regionale Höhlenrettungsgruppe zusammen mit den Teams des Technikbusses der Bergwacht-Region Chiemgau, des von der Bergwacht Penzberg betriebenen Einsatzleitwagens der Bergwacht Bayern und des Einsatzleitwagens des Fachdienstes „Information und Kommunikation“ der heimischen BRK-Bereitschaften eine Einsatzleitung und auf dem Parkplatz der Predigtstuhlbahn einen Bereitstellungsraum mit Personal- und Materiallager eingerichtet hat. Aufgrund der seit vielen Jahren bei Übungen und Einsätzen gelebten und bereits traditionellen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit nimmt auch der Salzburger Höhlenrettungsdienst mit sieben Einsatzkräften an der eigentlich deutschen Übung teil.
Das Personal des Technikbusses registriert vorab die Mannschaften, damit später niemand im Gelände oder unter Tage verlorengeht; direkt danach gibts für alle eine Einweisung in die fiktive Lage und dann erst mal eine lange Ruhepause, da einige Gruppen eine stundenlange Anreise hinter sich haben. „Bei einem echten Einsatz würde man das auch so machen, wenn bereits genug Retter vor Ort sind, damit die neuen Gruppen später als ausgeruhte Mannschaft in die Höhle einfahren und ihre bereits müden Kameraden nach getaner Arbeit im Schichtdienst ablösen können“, erklärt Mayer.
Am Samstagmorgen (9. September) beginnt dann die eigentliche Übung in der horizontalen Pfingsthöhle, in der Adventhöhle (Schacht) und in der Teufelshöhle (Versturzblöcke) auf der Südostseite des Müllner Bergs und auf dem Plateau der Bürgermeisterhöhe (Chiemgauer Alpen) zwischen Saalachsee und Bad Reichenhall. Das Szenario sieht vor, dass in allen drei Objekten jeweils ein Verletzter gesucht, medizinisch versorgt und unter vollem Personal- und Materialeinsatz aufwendig gerettet werden muss. Mit ihren Einsatzfahrzeugen geht es für die in verschiedene Trupps eingeteilten Retter nach und nach über den Radlweg auf der Nordseite des Saalachsees so nah wie möglich an den Aufstieg durch ein trockenes, abschnittsweise steiles Bachbett bis hinauf zu den Eingängen der Advent- und Pfingsthöhle. Dort angekommen fahren zunächst Medizin- und Kommunikationstrupps in die Höhlen ein, gefolgt von weiteren Trupps, die die geplante Bergestrecke erkunden, absichern und gegebenfalls Engstellen erweitern müssen, an denen eine Trage einfach nicht mehr durchpasst. Nach Versorgung durch Ärzte und Sanitäter geht’s es für die in Spezialtragen gesicherten Patienten zeit- und personalintensiv durch teilweise bis zu 16 Meter hohe Schächte und sehr enge Canyons Stück für Stück zurück ans Tageslicht. Am Nachmittag gegen 14.30 Uhr und 16 Uhr sind die Verletzten trotz aller zunächst unüberwindbar anmutenden Hürden aus der Advent- und aus der Pfingsthöhle gerettet. Gleichzeitig sucht ein weiterer Trupp auf der Bürgermeisterhöhe nach einem dritten Vermissten und findet dann in der dortigen Teufelshöhle tatsächlich einen dritten Patienten-Darsteller, der auch so schwer verletzt ist, dass ihn die Retter notfallmedizinisch versorgen und mit vereinten Kräften auf der Trage an die Erdoberfläche zurückbringen müssen.
Alle Retter und Mimen steigen dann ab und werden mit Fahrzeugen im Shuttle-Verkehr zurück zum Bereitstellungsraum gebracht, wo sie nach einer kurzen Nachbesprechung zurück in ihre Unterkunft aufbrechen und anschließend beim gemeinsamen Essen mit anregenden Gesprächen den ereignisreichen Tag gemütlich ausklingen lassen. Am Sonntagmorgen (10. September) findet nach dem Frühstück noch eine ausführliche Nachbesprechung statt, bevor die Gruppen dann ihre teilweise mehrstündige Heimreise antreten.
Insgesamt waren 79 Höhlenretter und 25 weitere Einsatzkräfte in der Einsatzleitung und als Organisationsteam an der Übung beteiligt. „Wir bedanken uns herzlich bei allen Teilnehmern des HRVD für die gelungene, unfallfreie Übung und das kameradschaftliche Miteinander!“, lobt Fick. „Ebenfalls herzlich bedanken möchten wir uns beim Team unserer Unterkunft im Labenbachhof in Ruhpolding, der Gemeinde Ruhpolding, die kurzfristig ihre Turnhalle für weitere Übernachtungsgäste kostenfrei bereitgestellt hat, als wesentlich mehr Leute als erwartet mitmachen wollten, der Predigtstuhlbahn für die Bereitstellung ihres Parkplatzes sowie der Gemeinde Schneizlreuth und der Stadt Bad Reichenhall für ihre Hilfe und Unterstützung bei den Vorbereitungen, der Firma Getränke Gimpel, die sich um die komplette Getränke-Logistik kümmerte sowie der Landbrauerei Schönram und dem Hofbräuhaus Traunstein für die kostenlose Versorgung mit Getränken beim gemeinsamen Grillabend“, freut sich Mayer. Fick: „Die Bergwachten Ruhpolding und Bad Reichenhall, die Bergwacht-Region Chiemgau und der Malteser Hilfsdienst (MHD) sowie die Leitstelle Traunstein haben vorab und während der Übung mit Logistik und Organisation unterstützt – auch dafür ein herzliches Vergelt´s Gott!“
Rückblick: Bereits im November 2016 fand in der Pfingsthöhle eine überregionale Rettungsübung mit Höhlenrettern der Bergwachten aus ganz Bayern und dem angrenzenden Salzburger Land statt.