FREILASSING (ml) – Das vergangene Dienstjahr der Bergwacht Freilassing war überschattet von gleich drei zum Teil schweren Unfällen von aktiven Berg- und Höhlenrettern im Dienst und in ihrer Freizeit, die allen hautnah und für die Betroffenen recht schmerzhaft gezeigt haben, wie riskant die ehrenamtliche Arbeit der alpinen Rettungsspezialisten trotz ihrer umfangreichen und intensiven Ausbildung letztlich immer bleibt: Am 21. März wurden drei Höhlenretter durch einen Steinschlag bei einer Übung in der Reischlklamm in Karlstein zum Teil schwer verletzt (wir berichteten), am 9. Juli stürzte der Bergwachtarzt beim Holztransport zur Seeleinsee-Diensthütte im Hagengebirge mit einer Kraxe mehrere Meter ab und verletzte sich so schwer an der Schulter, dass er mit dem Salzburger Notarzthubschrauber ausgeflogen werden musste und am vergangenen Samstag (4. März) kam Ausbildungsleiter Rudi Hiebl bei einem Lawinenunfall an der Hohen Warte in Tirol glimpflich mit eher leichteren Verletzungen davon: Er hatte bei der Abfahrt bei geringer Gefahr (Warnstufe 1) mit sehr viel Pech die Lawine ausgelöst und war rund 200 Meter mitgerissen und nur an den Beinen verschüttet worden, so dass er sich selbst befreien konnte, bevor ihn die Besatzung eines Notarzthubschraubers abholte und vorsorglich zur Uniklinik nach Innsbruck flog. Mittlerweile ist er wieder zu Hause, kuriert seine Prellungen aus und lässt über Bereitschaftsleiter Guido Fick kameradschaftliche Grüße ausrichten. Der Unfall ereignete sich ziemlich genau zehn Jahre nach dem tödlichen Unfall des damaligen stellvertretenden Bereitschaftsleiters Dr. Hubert Glässner, der am 5. März 2013 am Scheiblingskogel im Tennengebirge in einer Lawine uns Leben gekommen war.
„Wir sind froh, dass sich im Dienstbetrieb aufgrund des umsichtigen Verhaltens aller Beteiligten niemand mit dem Virus angesteckt hat“, betonte Fick, der seine Kameraden für ihre Disziplin lobte. Bereitschaftsleiter-Stellvertreter Herbert Berger berichtete von den 53 Einsätzen, die die Freilassinger Bergwacht 2022 zusammen mit den Bergwachten Bad Reichenhall und Teisendorf-Anger in den Bergen rund ums Saalachtal, am Högl und am Teisenberg und beim Pistenvorsorgedienst im Skigebiet Götschen (9) geleistet hat. Für ihre anspruchsvollen Aufgaben sind die Bergretter gut aus- und fortgebildet: Drei in allen Techniken geschulte so genannte Air Rescue Spezialisten (ARS) und neun weitere Unterwiesene Einsatzkräfte (UEK) sind für Hubschrauber-Rettungen unter anderem mit der Winde speziell geschult und müssen sich jährlich am Simulator in Bad Tölz und bei Heli-Übungen im Gelände fortbilden. Insgesamt fanden 2022 39 Ausbildungsveranstaltungen für die Freilassinger Bergwacht in der Bereitschaft, in der Region und auf Landesebene statt. Die 28 internen Fortbildungen der Bereitschaft wurden im Schnitt von zwölf Teilnehmern besucht. Neben einer nächtlichen Winterübung an der Götschen-Talabfahrt fand eine Sommerübung am Kleinen Barmstein statt, bei der eine Rettung aus der Kletterroute simuliert, aber wegen eines aufziehenden Gewitters vorzeitig abgebrochen werden musste. Aktuell gehören sieben Anwärter zur Bereitschaft, die sich motiviert der zeitintensiven Ausbildung stellen und teilweise bereits ihre Prüfungen in den verschiedenen Modulen erfolgreich abgelegt haben.
Bereitschaftsleiter-Stellvertreter Markus Weilacher berichtete von der Seeleinsee-Diensthütte im Hagengebirge, die an 116 Tagen meist durch Bergretter aus verschiedenen Bereitschaften für Ausbildungen belegt war, darunter auch 22 Tage vor allem unter der Woche von Nationalpark-Mitarbeitern in Forschungsprojekten, wobei unter anderem wilde Gamsen besendert wurden, um mehr über ihr durch Klima und andere Faktoren beeinflusstes Wander-Verhalten herauszufinden.
Kassenwart Niko Magg stellte für 2022 knapp über 28.000 Euro an Einnahmen über 23.000 Euro an Ausgaben gegenüber, darunter über 10.000 Euro für Ausrüstung und Geräte, fast 3.000 Euro Fahrzeug-Kosten, fast 2.700 Euro für Versicherungen, über 2.200 Euro für die Höhlenrettung und 2.000 Euro für Raum-Instandhaltungen und Nebenkosten. Diesen Aufwand finanziert die Bergwacht mit über 10.600 Euro an Erstattungen und Zuschüssen der Bergwacht Bayern für geleistete Einsätze und Vorhaltung, über 8.000 Euro sonstige Erstattungen und Eigenanteile der Kameraden für Ausrüstung, über 4.000 Euro an Spenden und rund 3.300 Euro an Fördermitglieder-Beiträgen.
Erneut kein Höhleneinsatz
Einsätze unter Tage gab es die letzten drei Jahre keine, sie fordern im Ernstfall aufgrund ihrer Komplexität und Dauer häufig alles ab, was ein guter Alpinist und Notfallmediziner können muss, weshalb die Gruppe auch mit den benachbarten bayerischen und österreichischen Höhlenrettungsgruppen eng zusammenarbeitet und im Ernstfall mit weiteren Spezialisten wie dem Team des Technikbusses der Bergwacht Chiemgau kooperiert. Der Ressort-Verantwortliche für die Höhlenrettung der Bergwacht-Region Chiemgau, Hubert Mayer, berichtete von den Aus- und Fortbildungen der 16 aktiven Höhlenretter und zwei Anwärtern, die aus den Bereitschaften Freilassing (10), Berchtesgaden (3), Marquartstein (2), Bad Reichenhall (1), Bergen (1) und Ramsau (1) kommen: „Der schwere Unfall gleich bei der ersten Übung in der Reischlklamm hat leider das ganze Jahr über unsere Motivation etwas überschattet, weshalb wir mit nur drei Höhlentouren und drei Ausbildungsabenden viel weniger gemacht haben als in den Vorjahren.“ Unter den Höhlenrettern sind drei Rettungsassistenten und zwei Rettungssanitäter zur Versorgung von Verletzten in der Höhle – darüber hinaus auch ein höhlentauglicher Notarzt. Neun haben das Ausbildungsmodul 1 der Bergwacht Bayern absolviert, 14 auch das Modul 2. Zwei Retter haben darüber hinaus eine Spreng-Berechtigung zum Erweitern von Engpässen beim Patienten-Transport mit der Trage. Die interne Ausbildung mit Übungen in den heimischen Höhlen und Schächten orientiert sich an den beiden offiziellen Modulen. 2022 fanden neben drei Ausbildungsabenden nur drei Übungstouren in die Gutortenbrandhöhle (Schlenken), ins Nixloch (Untersberg) und in den Lengfeldkeller (Taugl – Osterhorngruppe) statt, wo die Einsatzkräfte das Begehen von Wasserhöhlen, die Geisteinsbearbeitung, die Orientierung unter Tage, den Höhlenfunk Cave Link und ihr Können in der Handhabung von Abseilgeräten und Steigklemmen am Seil (Einseiltechnik) üben konnten. Höhlenrettungen bedeuten immer eine Materialschlacht, extrem hohe Beanspruchung der Ausrüstung und viel Dreck: An zehn Tagen mussten die Ehrenamtlichen deshalb putzen und Ausrüstung sortieren, die in einem aktuell noch immer laufenden Umbau des Höhlenrettungsanhängers mit einem Regal für Kisten zukünftig noch besser eingesetzt werden kann.
Ein ganzes Leben lang für die Bergwacht aktiv0
Bereitschaftsleiter Guido Fick und seine beiden Stellvertreter Herbert Berger und Markus Weilacher zeichneten vier verdiente Kameraden für jahrzehntelangen aktiven Bergwachtdienst aus: Wolfgang Koller, Konrad Huber und Gerhard Kronawitter bekamen das goldene Ehrenzeichen der Bergwacht Bayern für treue Mitarbeit im Rettungsdienst und Naturschutz verliehen. Guido Fick gratulierte auch Florian Kronawitter, der seit mittlerweile 28 Jahren in der Bergwacht aktiv ist; eigentlich hätte er bereits 2020 das silberne Ehrenzeichen für 25 Dienstjahre bekommen – durch die Pandemie wurde die Ehrung aber immer wieder verschoben.
Gratwanderung zwischen Leben und Tod
Freilassings Bürgermeister Markus Hiebl und Ainrings dritter Bürgermeister Martin Strobl dankten der Bergwacht für ihren gesellschaftlich unverzichtbaren aber stets auch riskanten Dienst, wobei Hiebl in seinem Grußwort angesichts der drei Unfälle anerkennend von einer „Gratwanderung zwischen Leben und Tod in vielen ehrenamtlichen Stunden“ sprach, in denen die Freiwilligen zu Hause fehlen, während sie im Gebirge oder in der Höhle anderen Menschen uneigennützig helfen. „Die Ausbildungen sind eine Wissenschaft für sich und kommen einer Berufsausbildung, wenn nicht sogar einem Studium gleich“ – trotz dieser hohen Anforderungen sei dieses besondere Ehrenamt abenteuerlich und attraktiv für junge Leute, denen aber auch wahnsinnig viel Verantwortung aufgelastet würde – lobte Hiebl, der die tendenziell schwindende Eigenverantwortung der Menschen in allen Gesellschaftsbereichen als große Herausforderung auch für die Bergwacht nannte: „Wir brauchen am Berg aber definitiv keine Helden, sondern ganz viel Besonnenheit und Leute wie Euch!“ Die Salzburger Landesleiterin des Österreichischen Höhlenrettungsdienstes, Monika Feichtner, dankte den Freilassingern für die mittlerweile über zehnjährige enge und intensive grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Ausbildungen und Einsätzen: „Wir Bayern und Salzburger helfen immer zusammen, da wir ja auch zusammengehören!“ Sie erinnerte an die im Herbst von ihrer Organisation durchgeführten Bundesübung, die von allen Beteiligten aus ganz Österreich und Bayern als die „am besten organisierte und lehrreichste Übung“ gelobt wurde (wir berichteten).